F. Parianen: Hormongesteuert ist immerhin selbstbestimmt
Franca Parianen: Hormongesteuert ist immerhin selbstbestimmt. Wie Testosteron, Endorphine und Co. unser Leben beeinflussen.
Hormone & Hirn 1
(…) Aber obwohl wir ahnen, dass sich Körper und Geist irgendwo treffen und zusammen was trinken gehen, wissen wir erstaunlich wenig über diesen Ort oder das, was sie sich dabei erzählen. Was wir noch weniger wissen, ist: warum eigentlich? In unseren Vorstellungen wabern die Hormone schließlich ziemlich planlos durch unser Hirn, grätschen ständig wichtigen Gedanken dazwischen, bleiben mit dem Fuß an irgendeinem Kabel hängen und reißen Stecker aus der Wand, sodass wir plötzlich in Dunkeln stehen („Mein klares Denken war doch gerade noch da?“) Aber auch wenn wir „hormongesteuert“ gern als Synonym für „hirnlos“ benutzen – ohne Hormone wäre unser Gerhin langfristig vor allem eines: aufgeschmissen. Schlaf-, lieb-, und motivationslos.
aus Franca Parianen: Hormongesteuert ist immerhin selbstbestimmt. Rowohlt, Hamburg 2023.
Da ich mich nicht nur unterhalten lassen wollte, was mit diesem Buch durchaus möglich ist, sondern mein Wissen erweitern wollte, habe ich sehr schnell mit Bleistift und dem Umknicken von Ecken gearbeitet und viele Passagen mehrfach gelesen.
Sie beantwortet sehr lebensnah die Basic Fragen zu Hormonen: Wer oder was sind Hormone? Woher kommen sie? Wie und vor allem wo wirken sie? Die Idee zur Veranschaulichung ein junges Paar heranzuziehen und quasi in die beiden hineinzuhören, um so den Hormonen bei ihrer Arbeit zu lauschen, hat mich dabei sehr angesprochen. Sie hat mich damit oft zum lachen gebracht und mir das Lesen und Verstehen der teils komplexen Abläufe ungemein erleichtert.
Hormone & Hirn 2
„Nein, niemand wird hier von Hormonen ferngesteuert. Höchstens in dem Sinne, in dem wir auch von unseren Neuronen ferngesteuert sind. Man kann sich das Zusammenwirken eher so vorstellen, dass Hormone ein Verhalten möglich machen. Ermutigen. Sie sind ein notwendiges, kein hinreichendes Kriterium. Sprich, das Gehirn entscheidet, ob wir Sex haben wollen, aber die Hormone stellen die Frage. „
Aus Franca Parianen: Hormongesteuert ist immerhin selbstbestimmt. Rowohlt, Hamburg 2023.
Zwei Freundinnen haben sich von meinem Interesse an diesem Titel. anstecken lassen, also haben wir per Zoom unseren eigenen kleinen Buchclub zum Leben erweckt. – Eine Pandemie kann auch positive Auswirkungen haben – Wir haben dabei versucht, die teils komplexen Zusammenhänge für uns alle noch mal verständlich zusammenzufassen, was richtig gut funktioniert hat. Am spannendsten war, dass jede von uns sich einem anderen Teil des Hormonhaushalts ausgelieferte fühlte und wir am Ende verstanden haben, dass wir gar nicht wirklich ausgeliefert sind, sondern ein ganzes Stück weit Gestalterinnen unseres Hormonhaushalts sind, oder wie Parianen es ausdrückt: „Der Störfunk sind wir.“. Als Benefit gab’s noch die Erkenntnis, die so überraschen gar nicht hätte sein dürfen, dass Hormone in allen Menschen und wirklich annähernd allen Funktionen des menschlichen Körpers am Werk sind. Danke, Franca Parianen!
„Was meint er denn damit? Juliette dreht sich zur anderen Bettseite und strahlt ihrem Freund den Twitter-Feed ins Gesicht. Leo zuckt die Schultern, rückt sein Kopfkissen zurecht und wendet sich wieder seinem eigenen Handy zu. In seinem Kopf fragt sich unterdessen ein ganzes Hormonsystem, warum es nicht dunkel wird. Es kennt weder Handys noch soziale Medien. Aber es weiß, dass die Stäbchen im Auge immer noch Licht melden. Genauer gesagt: blaues Licht, denn das ist es, was Bildschirme absondern. Es signalisiert: helllichter Tag. Um drei Uhr nachts. Melatonin wird langsam nervös. Leo braucht Schlaf zum Regenerieren. Für emotionale Aufarbeitung! Nichts Dramatisches – irgendjemand hat seine E-Mail nicht beantwortet, aber das Hirn meint, Leo neigt zum Selbstmitleid. So oder so funktioniert das Aufarbeiten nicht ohne eine Tiefschlafphase. Wenn dagegen tatsächlich noch die Sonne scheint, müsste das Melatonin wahrscheinlich den Sommer einleiten. Keine leichtfertige Entscheidung, weil es dadurch Sexhormone, Stimmung und Immunsystem mit reinzieht. Nervös zieht es die Stirn in Falten. „Übrigens…“, das Wachstumshormon knufft ihm Energieriegel-kauend in die Seite, „… die Tagschicht beschwert sich auch ständig. Der Typ bekommt nicht genug Sonnenlicht! Darum ist er ständig so unterkühlt und schmerzempfindlich. Sein Serotoninspiegel ist der Horror!“ Melatonin zieht ungläubig die Augenbrauen hoch. „Hochsonne bis drei Uhr nachts, und er hat Lichtmangel?“ Grimmig beugt es sich wieder über seine Monitore. „Womit haben wir es hier zu tun?“ In dem Moment kommt Kortisol mit eiligen Schritten um die Ecke: „Also ihr könnt hier jetzt erst mal einpacken. Das Gehirn hat Klingelgeräusche gehört, das es an Arbeit erinnert hat. Ich hab alles wieder hochgefahren und wir spielen jetzt ein Medley aus ‚Sorgen von morgen‘.
Vier Stunden später wird Leo von seinem Wecker aus dem Schlaf gerissen. „Bah, ist das kalt hier … und warum hab ich nur solche Kopfschmerzen?“
Aus Franca Parianen: Hormongesteuert ist immerhin selbstbestimmt. Rowohlt, Hamburg 2023.
2 Kommentare
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Toll. Muss ich lesen!
HelgaScha
Das freut mich, dass ich Dir eine Leseanregung geben konnte. Schreib‘ doch Deine Gedanken hier, wenn Du es gelesen hast.